Deutsche Literatur seit 1945

Zu den bedeutendsten jungen Autoren in der DDR gehört Christa Wolf. Sie ist Parteimitglied, ohne allerdings immer konform zu sein. Ihr Roman "Nachdenken über Christa T." offenbart allzu kritische Gedanken über den Staat, zu dem sie sie bekennt - die Auflage wurde bewußt gering gehalten. / Ein anderer Fall: Hermann Kant. Auch er SED-Mitglied und aufsteigender Stern der DDR-Prosa der 60er Jahre, rasch bekannt werdend und Einfluß gewinnend. Doch im Gegensatz zu Christa Wolf ist seine Literatur nicht unabhängig, sondern immer der höheren Instanz Partei untergeordnet.Was die Ost-Literatur der 60er Jahre überwunden zu haben scheint, wird - ironischerweise - im Westen immer populärer:Literatur als Agitations- und Informationsinstrument. Viel bleibt von alledem in der Literaturgeschichte nicht übrig - bis auf eine Ausnahme: Das Konzept von Günter Wallraff.Rollenreportagen sind sein Metier, Maskenspiele, durch die er in andere Existenzen, in anderen Klassen eindringt.Nicolas Born beschimpft die "Sozialverzücktheit" in seinem Buch "Die erdabgewandte Seite der Geschichte".Besonders Lyrik aber sucht nach neuen Themen - auch nach einem neuen Publikum. Sich immer stärker von abstrakten Gesellschaftsmodellen distanzierend, begibt sie sich ins Handgemenge des alltäglichen Lebens: Wolf Wondratschek und Karin Kiwus werden exemplarisch vorgestellt.Die Literatur auf der Suche nach neuen Ufern - anstelle von kalten Systemanalysen und strengem "Hinterfragen" tritt die Lust am Trivialen, die neuentdeckte Mundart, der Dialekt.Die Anfänge liegen in Österreich und in der Schweiz. Die Rezitationen von H.C. Artmann und Franz Hohler bedürfen teilweise einer "Übersetzungshilfe" durch Untertitel.Daß Mundart-Dichtung nicht der Persiflage bedarf, um sich vom Zünftigen zu unterscheiden, beweist Franz Xaver Kroetz.Seine Stücke sind entlarvend, nicht ohne ironischen Unterton - doch er nimmt seine Personen ernst: Bauerntheater- Tradition, kritisch gewendet.Ein sehr genauer Beobachter, allerdings aus anderen Beweggründen, ist auch Walter Kempowski, der wegen angeblicher Spionage acht Jahre in einem Gefängnis der DDR verbrachte. Sein Roman "Tadellöser & Wolff" ist ein außergewöhnlicher Publikumserfolg.Ebenfalls bekannt wird ein Buch, das aus anderer Perspektive vom Leben in der Zeit des Kriegs erzählt: "Jakob der Lügner" von Jurek Becker. Becker, der selber als Kind das Konzentrationslager erlebt hat, beschreibt das Leben im Ghetto - und die Hoffnung.Einen Rückgriff auf die Klassik und ihre Verbindung mit der Gegenwart wagt Ulrich Plenzdorf mit seinem Furore machenden Theaterstück "Die neuen Leiden des jungen W.", das unmittelbar nach seinem Erscheinen 1972 an mehr als einem Dutzend DDR-Bühnen gespielt wird."Die Deutschstunde" wird verfilmt. (Pr-text) Plenzdorfs Erfolg erscheint wie eine Verheißung für die Literatur der 70er Jahre in der DDR. Zu früh, wie sich herausstellt: Reiner Kunze muß sich durch Ausreise vor dem Gefängnis retten. Wolf Biermann darf nach einem spektakulären Auftritt 1976 in Köln nicht mehr in seine Heimat zurückkehren. Auch Sarah Kirsch, zuvor schon beiderseits der Grenze wohlbekannt, verläßt die DDR, in der sich die Lage zuspitzt. Stefan Heym, bekennender DDR-Bürger bis zuletzt, gerät immer stärker unter Druck. Er wird zusammen mit anderen Kollegen, die sich zu heftig gewehrt haben, 1979 aus dem Schriftstellerverband geworfen - Christa Wolf schildert eindrucksvoll das parteikonform durchorganisierte Szenario des Ausschlußverfahrens.(Pr-text)

Archivnummer HDF000901
weitere Titel:
Untertitel: Nachrichten von Büchern und Menschen
Reihentitel: Deutsche Literatur seit 1945
Filmschaffende
Heiner, Michel (Redaktion)
Volker Bohn (Autor/in)
Ingrid Fischer (Sonstige/r Mitwirkende/r)
Ute Mannhardt (Cutter/in)
Helmut Greulich (Regisseur/in)
Karl H. Hintzmann (Kamera)
Datierung 10.10.1993
Länge 60'00"
Formate
Super VHS Farbig
Farbe Farbig
Ton
Kategorien Kultur > Literatur, POLITIK UND MILITÄR, GESELLSCHAFT UND SOZIALES
Schlagwörter
Eintragdatum: 04.02.1994
Änderungsdatum: 28.06.2000