Viele Filme bei DOK Leipzig arbeiten mit Archivmaterial
Zahlreiche Filme beim diesjährigen DOK Leipzig Festival haben mit Archivmaterial gearbeitet. Ob intime Portraits der eigenen Familie oder der analytische Blick auf gegenwärtige und vergangene Krisenherde dieser Welt, historisches Filmmaterial findet in dokumentarischen Arbeiten immer häufiger Verwendung. Es stammt nicht nur aus privaten Archiven der Regisseur:innen, wie beispielsweise in Faustine Cros’ „A Life Like Any Other“, einem Porträt über ihre Mutter, sondern auch von öffentlichen Institutionen. So war es eine logische Entscheidung der DOK Leipzig Veranstalter:innen, in diesem Jahr zum ersten Mal ein Event zu initiieren, bei dem sich Archive präsentieren konnten: den „DOK Archive Market“.
Unterschiedliche Filmarchive stellen sich vor
Der „DOK Archive Market“ fand am 20.10.2022 im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig statt. Achtzehn nationale und internationale Archive, darunter die Landesfilmsammlung Baden-Württemberg, konnten an ihren Messeständen ihren Filmbestand präsentieren und Filmemacher:innen zur Arbeit mit Archivmaterial beraten. Neben den großen, internationalen Playern, wie „Getty Images“, „Imperial War Museums“, „Bundesarchiv“ oder „Britisch Pathé“, waren auch kleine und sehr junge Filmarchive und Footage Agenturen vertreten. Mit „Zeitstreifen“ präsentierte zum Beispiel ein erst 2019 gegründetes Filmarchiv seinen Bestand.
Reger Austausch innerhalb der Branche
Jedem teilnehmenden Filmarchiv wurde beim „DOK Archive Market“ ein eigener Tisch mit vier Stühlen und wahlweise einem Monitor zur Verfügung gestellt. So konnte jede teilnehmende Institution einerseits Material optimal vorführen und andererseits eine angenehme Gesprächssituation für Interessent:innen schaffen. Den ganzen Tag über herrschte im dritten Stock des Zeitgeschichtlichen Forums reges Treiben. Die Filmarchive haben sich über Herausforderungen und Lösungen bei ihrer Arbeit ausgetauscht, während sich Redakteur:innen, Archive Producer und Filmemacher:innen zu Filmbeständen und dem Prozedere bei der Materialbestellung beraten ließen. Ergänzt wurde dieser Wissensaustauch durch ein informatives Rahmenprogramm.
Masterclass mit Mila Turajlić zum kollektiven Gedächtnis
Neben der Messe im Ausstellungsbereich des Zeitgeschichtlichen Forums gab es beim „DOK Archive Market“ ein Veranstaltungsprogramm im angrenzenden Saal. Hier gab die serbische Regisseurin Mila Turajlić, der dieses Jahr eine Hommage gewidmet war, eine Masterclass. Sie berichtete von der Herausforderung, an das Ausgangsmaterial von Fernsehbeiträgen zu gelangen. Die betreffenden Archive sichern eher das sendefähige Material als die Kameranegative. Turajlić hält es außerdem für problematisch, dass größere Footage Agenturen kleinere Archive aufkaufen. Dadurch werde der Zugang zum Filmerbe ganzer Regionen unnötig erschwert.
Gladbeck: Musterbeispiel für Umgang mit Archivmaterial
In einer Case Study zur Netflix Doku „Gladbeck: Das Geiseldrama“ gewährten einige der involvierten Macher:innen einen tiefen Einblick in die Entstehung dieses ambitionierten Projekts. Die Archive Producerinnen Monika Preischl und Janne Gärtner machten die Herausforderungen ihrer Arbeit anschaulich: Welches Material existiert und darf auch verwendet werden? Wie schafft man es, Bilder aufzutreiben, die bisher nirgends eingesetzt worden sind? Und schließlich: Wie kommt man an Aufnahmen des Polizeifunks, um auch auf auditiver Ebene spanendes Archivmaterial einsetzen zu können? Letzten Endes sei man in einem kleinen Lokalarchiv fündig geworden, da von offizieller Stelle kein Material verfügbar war, so Gärtner.
Post Production Supervisor Juan Galva zeigte an praktischen Beispielen, wie eine Struktur geschaffen worden ist, um das umfangreiche Material optimal zu verwalten. Dem Team der Landesfilmsammlung Baden-Württemberg hat diese Case Study jedoch nicht nur dank dieser Einblicke gefallen, sondern auch wegen der vielfach wiederholten Feststellung: „Filmen, in denen Archivmaterial verwendet wurde, gehört die Zukunft“.
Ein Verein für das junge Berufsbild „Archive Producer“
Der Höhepunkt des Rahmenprogramms war wohl die erste öffentliche Vorstellung des Vereins der German Researchers and Archive Producers, kurz GRAP e. V. Der Verein hat das Ziel, die Wahrung, Pflege und Förderung der beruflichen und wirtschaftlichen Interessen aller in Deutschland tätigen Archive Producer voranzubringen. Die drei Vorstandsmitglieder Monika Preischl, Julian Nindl und Michael Konstabel stellten diese Zielsetzung vor, während Solveig Hansen und Gregor Murbach die Website des Vereins präsentierten: Sie soll die zentrale Anlaufstelle für alle werden, die Unterstützung bei der Suche nach Archivmaterial für ihre Filme wünschen.
Mit diesem vielfältigen Rahmenprogramm, den zahlreichen anwesenden Filmarchiven und Branchenvertreter: innen sowie der produktiven und gastfreundlichen Atmosphäre, kann der „DOK Archive Market“ schon jetzt als neuer Pflichttermin für die gesamte Branche gezählt werden.